Das Leben ist Saad
Er ist die Stimme einer neuen HipHop-Generation. Das Ausnahmetalent der Klasse von 2006, die sich gerade erst formiert. Im rasanten Tempo hat er sich weiter entwickelt - vom polternden Battle-Rapper zum harten, manchmal nachdenklichen Geschichtenerzähler. "Dass ich pöbeln kann, brauche ich niemandem mehr zu beweisen. Nun beginnt das nächste Kapitel", sagt Saad. "Schließlich hat Rap mich auf gewisse Weise gerettet. Und so eine Chance muss man 100%ig nutzen. Mit Partysongs allein funktioniert das nicht."
Saad El-Haddad stammt aus dem Libanon, wo er 1985 geboren wurde. Seine Eltern fliehen vor dem Bürgerkrieg. Als Zehnjähriger kommt er nach Deutschland und landet in der Containersiedlung eines Asylantenheims. Nach dem Anerkennungsverfahren zieht die Familie nach Bremen. Die dortige
Neustadt wird zur neuen Heimat von Saad. Hier erlernt er im Eiltempo die Sprache des bislang fremden Landes. Er schließt die Realschule ab und versucht irgendwie einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Eine bittere Erfahrung, die mit Frust und Schulden endet. "Als ich wegen des schwebenden Asyl-Verfahrens noch nicht zur Schule gehen durfte, habe ich ganz stumpf angefangen die Lektionen eines Sprachlehrbuchs auswendig zu lernen", erinnert sich Saad. "Und mein Onkel sagte mir nur, irgendwann wirst du verstehen können, was dort im Fernsehen läuft." Ein Jahrzehnt nach dem ersten Deutschunterricht erzählt er nun seine Geschichte. Ein 20jähriger Rapper, der schon einiges hinter sich gebracht hat, reflektiert seine bewegte Jugend.
Gerade mal vier Jahre ist es her, dass Saad die HipHop-Welt für sich entdeckte. "Ich bin einfach als Teenager-Fan eingestiegen, ohne allerdings den verbissenen Kult um Old School, New School, Breakdance und Graffiti mitzumachen" erzählt er. "Es interessierte mich schon, doch mir war das
Getue darum einfach zuwider. Vielleicht lag das daran, das ich nicht mit HipHop, sondern im Krieg aufgewachsen bin." Der bekennende Werder-Fan ("Ich steh manchmal sogar mit dem Trikot auf der Bühne.") suchte auch keinen Schulterschluss mit der Bremer Szene. Stattdessen nahm er im Studio seines Kumpels JokA "einfach so" einen ersten Track auf, der wenig später bereits im Freundeskreis kursierte. Als Mp3-Datei wurde der Song schließlich im Forum der Website von Bushido empfohlen. Der digitale Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit. "Ich kannte Bushido schon vorher" erzählt Saad
und grinst "weil ich ihn öfters mal genervt hatte. Er empfahl mir einfach nur weiterhin zur Schule zu gehen. Doch nachdem er diesen Track hörte, folgte eine Einladung nach Berlin."
Saad, der sich gerade ernsthafte Sorgen um seine (berufliche) Zukunft machen musste, wurde im Sommer 2004 ganz spontan für einige Gast-Raps auf Bushidos Albumproduktion "Electro Ghetto" engagiert. Das Experiment gelang. Und zwar so gut - ihre gemeinsamen Tracks "ersguterjunge" & "Wenn Wir Kommen" sind Klassiker des Top 5 Albums - dass darauf gleich das Angebot für die anstehende Bushido-Tour folgte. Bis heute sind daraus über 150 Auftritte geworden. Auch bei den Aufnahmen zu "Staatsfeind Nr.1" (Charteinstieg auf #4) sowie dem Konzeptalbum "Carlo Cokxxx Nutten II" (Platz #3) und der Compilation "ersguterjunge Sampler Vol. 1: Nemesis," (wieder Platz #4!) war Saad dabei. Eine zweijährige Phase der Experimente, in denen er seine Skills verbessern konnte. Die Zeit war nun reif, um mit einem eigenen Konzept ins Studio zu gehen: "Ich hatte musikalisch klare Vorstellungen", sagt Saad. "als ich zu DJ Stickle nach Linz gefahren bin. Es sollten spezielle, eher getragene Beats sein, die auch eine melancholische Stimmung mit der nötigen Energie transportieren können."
Düstere, zuweilen bedrohliche Töne bilden das musikalische Grundgerüst, über das sich geloopte Streichersequenzen oder geheimnisvolle Melodienfetzen legen. Auch Bushido (er ist natürlich auch Featuregast auf „Das Leben Ist Saad“) und Decay übernahmen einige Produktionen. Einen der weiteren, wenigen Gastraps lieferte auch "Der Bozz" Azad mit dem Track "Gefangen", eingespielt in dessen Frankfurter Homebase. Es sind kleinere und größere Geschichten aus seiner Biografie, die im Debutalbum "Das Leben Ist Saad" wieder aufleben. 16 Songs, die vom Beziehungsstress am Telefon (gemeinsam eingespielt mit der Newcomerin auf ersguterjunge, Bahar), bis zu seinen Erinnerungen an den Libanon reichen ("Womit habe ich das verdient"). "Zwei Battle-Nummern sind auch dabei", sagt Saad, "doch der Schwerpunkt liegt woanders. Das klare Bekenntnis zu "Bremen" darf in dieser persönlichen Bilanz genau so wenig fehlen wie die grundsätzliche Abrechnung "Ich halte die Stellung" Saad sorgt für Alltagsdramen im Viereinhalb-Minuten-Takt - "und wenn das ganze Land im Elend versinkt". Sicherlich einer der intensivsten Tracks ist "Um Uns Herum", in dem Saad gemeinsam mit Featurepartner JokA den gewaltsamen Tod eines Freundes beschreibt. "Die Story hat sich im letzten Jahr mitten auf der Bremer Partymeile abgespielt. Der Junge hat in der Disco wegen irgendeinem Blödsinn Stress bekommen. Draußen entwickelte sich dann eine Schlägerei, gelangweilt beobachtet von den Türstehern. Doch plötzlich lief der eine Typ zum Wagen, kehrte mit einem kurzen Schwert zurück und stach sofort zu. Er traf Hals, Brust; unser Kumpel ist kurz darauf gestorben. Scheiße, dass ich so einen Song machen muss. Doch auch das gehört zu meinem Leben. Ich muss wohl damit klar kommen, dass so etwas immer wieder passieren kann."
2004 – Featuretracks auf „Bushido – Electro Ghetto“
2004 – Internet-Exclusive „Mein Cock“
2005 – Bushido prod.: „Sonny Black & Saad – Carlo Cokxxx Nutten II”
2005 – Video & Single „Nie ein Rapper“
2005 – Featuretracks auf „Bushido – Staatsfeind Nr.1”
2005 – Featuretrack „Staatsfeind Nr.1 Remix“ auf „Bushido – Endgegner/Staatsfeind Nr.1 (Single)“
2006 – Video, Solotrack und Featuretracks auf „Bushido präs.: ersguterjunge-Sampler Vol.1 – Nemesis”
2006 – Featuretrack „Endlich wieder“ auf „DJ Stickle präs.: Ckakuza – Suchen & Zerstören”
2006 – Featuretrack „Auge des Sturms“ auf „Azad – Game Over“
2006 – Soloalbum „Saad – Das Leben ist Saad“
2006 – Featuretrack „Wer? Wann? Wo?“ auf „D-Bo – Seelenblut“
2006 – Songs auf „Bushido präs. Ersguterjunge-Sampler Vol.2“
2008 – Saadcore